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Krisen und Quantensprünge wachsender Unternehmen – Beispiele

18. Juli 2011

Der Schlüssel zum Erfolg wachsender Unternehmen ist ein Innovationsvorsprung im Markt. Mit zunehmender Größe kann das wachsende Unternehmen von Effizienzgewinnen durch mehr Arbeitsteilung und Routine profitieren. Allerdings erfordert das Unternehmenswachstum immer wieder organisatorische Anpassungen an die zunehmende Komplexität von Abläufen, Entscheidungsfindung und Kommunikation.

Wachsende Unternehmen

Beispiel 1 – Vom Matriarchat zum organisierten Unternehmen

Frau B. ist Geschäftsführerin eines vor 2 Jahren gegründeten Softwarevertriebs, der rasant wächst. Sie hat mittlerweile 14 engagierte und dem Unternehmen leidenschaftliche verbundene MitarbeiterInnen, die wie die Gründerin 60-80 Stunden die Woche arbeiten. Ihren Führungsstil nennt sie selbst den einer „matriarchalischen Feuerwehr“, die durchs Unternehmen düst um Brände zu verhüten und zu löschen, aber auch um neue Feuer zu entfachen. Außerdem ist sie jederzeit ansprechbar.

Als sie feststellt, dass die MitarbeiterInnen „vor ihrem Büro Schlange stehen“ und sie selbst nicht mehr zum Denken und Lenken kommt, strukturiert sie die Mitarbeiter in drei Abteilungen (Marketing-Verkauf, Entwicklung-Support und Verwaltung) und befördert drei Mitarbeiter zu Abteilungsleitern. Zum ersten Mal in der Geschichte des Unternehmens treten Spannungen auf. Sie muss sich mit Kränkungen und Eifersüchteleien auseinandersetzen: Mitarbeiter, die sich selbst als geeigneter für die Beförderung gesehen hätten, fühlen sich zurückgesetzt, genauso wie diejenigen, die jetzt nicht mehr uneingeschränkten Zugang zur Chefin haben und sich mit Ex-Kollegen begnügen sollen.

Beispiel 2 – Sturm und Drang gegen Bürokratie und Kontrollwahn:

Das Unternehmen XY bietet ein zerstörungsfreies Materialprüfungsverfahren an. Gegründet vor 15 Jahren von drei Studienkollegen, ist das Unternehmen Marktführer mit knapp 100 Mitarbeitern und wächst weiter in eine internationale Marktführerschaft hinein. Die zweite Führungsebene umfasst mittlerweile ein 5-köpfiges Führungsteam, das sich aus der Mitarbeiterschaft heraus konstituiert hat. Die Unternehmensidentität basiert auf dem Stolz auf die technischen Pionierleistungen und auf der hohen sozialen Verantwortlichkeit und Fürsorge Mitarbeitern gegenüber, einschließlich deren persönlichen Belangen.

Die Führungskräfte der zweiten Ebene ringen in einem Spannungsfeld zwischen Aufbau von mehr Struktur und Widerstand gegen „Bürokratie und Kontrollwahn“. So führt z.B. einer der Führungskräfte ein Monitoring in Anspruch genommener Urlaubstage ein, bei dem tatsächlich festgestellt wird, dass einzelne Mitarbeiter mehr Urlaub nehmen, als ihnen zustünde. Dies endet in zum Teil sehr persönlichen Konflikten und als aggressiv empfundenen Attacken auf den entsprechenden Abteilungsleiter. Außerdem laufen die Mitarbeiter Sturm bei den Geschäftsführern, die den Abteilungsleiter tatsächlich etwas zurückpfeifen.

Beispiel 3 – Small is Beautiful:

Herr Z. war Gründer, Geschäftsführer und später Vorstandsvorsitzender eines erfolgreichen IT-Unternehmens, spezialisiert auf zugeschnittene Mittelstandslösungen. Das seiner Zeit aus universitären Kontexten heraus gegründete Unternehmen ging im Lauf seiner erfolgreichen Geschichte an die Börse, beschäftigt etwa 120 Mitarbeiter und ist nach wie vor gut im Markt etabliert. Herr Z. hat die zunehmende Trägheit des Unternehmens und die mühsamen Auseinandersetzungen mit den Stakeholdern satt. Vor 2 Jahren verlässt Herr X. das Unternehmen und gründet zwei Start-Ups, die eine neue Softwaregeneration entwickeln und etablieren sollen. Sein erklärtes Ziel ist es, keines der beiden neuen Unternehmen über eine Mitarbeiterzahl von 30 hinauswachsen zu lassen. Er begründet seine Absicht mit der Erfahrung, dass die Flexibilität, die Kreativität und die Schnelligkeit ab einer Größe von etwa 30 Mitarbeitern verloren gingen, und setzt von Anfang an auf ein schlanke Struktur. So sind zum Beispiel Sekretariat und Serverbereitstellung an externe Dienstleister delegiert.

Wirtschaftliches Wachstum verläuft linear – die Kultur der Zusammenarbeit in Quantensprüngen

Qantitatives Unternehmenswachstum Umsätze, Mitarbeiterzahlen etc. – verläuft oft halbwegs linear. Die Art und Weise des Zusammenspiels und der Steuerung entwickelt sich eher treppenförmig mit durchaus gewaltigen Quantensprüngen. (Man sollte sich nur mal der Phantasie hingeben, dass Fußball plötzlich nicht mehr mit zwei Elfern, sondern mit Teams aus je 22 Mitspielern gespielt würde.)

An bestimmten Größenpunkten funktioniert nicht mehr, was bisher funktioniert hat. Eine neue Komplexität erfordert andere Strukturen, Kommunikationsformen, neue formelle und informelle Regeln. Start-Ups mit tollen Marktchancen können während eines solchen Sprungs auch über sich selbst stolpern und liegen bleiben.

Spannungsfeld Routine – Innovation

Das klassische Spannungsfeld während der Quantensprünge liegt in den Polen zwischen Routine und Innovation. Einerseits müssen Routinen und Strukturen ausgebaut und geordnet werden, andrerseits soll die schnelle Innovations- und Entscheidungsfähigkeit erhalten bleiben. Das Gemeine daran ist, das das die Formen des Zusammenspiels, die gerade erfolgreich erfunden wurden, schon wieder disfunktional und quasi wertlos werden. Nachvollziehbar, dass das nicht nur abstrakt der Organisation weh tut, sondern auch dem einzelnen Mitarbeiter, der in den Quantensprüngen ehrlich verdienter Lorbeeren beraubt wird. Und künftige Lorbeeren haben als Hypothesen noch kein Gewicht.

Ein Faustregel bei welcher Mitarbeiterzahl solche Quantensprünge bewältigt werden müssen, gibt es nicht. Ich kennen beispielsweise ein Unternehmen, das bis zu einer Größe von 25 Mitarbeitern strikt zentralistisch (und erfolgreich)auf den Geschäftsführer zugeschnitten blieb, bevor dieser „implodierte“. Möglich war das durch die großprojektbezogene Arbeitsweise, die den Projektleitern – wenn auch nur informell und nur zeitweise – Führungsfunktionen übertrug und insgesamt eine hochgradig loyale und selbstorganisierte Mitarbeiterschaft. Komplexitätsbedingtes Chaos und Disfunktionalität kann aber auch schon bei Teams ab fünf Mitarbeiterinnen auftreten.

Aufgabe der Unternehmensspitze ist es dann, neue unternehmensweite Strukturen zu bilden, die den Mitarbeitern wieder ein koordiniertes Zusammenspiel ermöglichen.

Haufenweise Erfahrung zu Wachstumsschmerzen von Unternehmen und den jeweiligen Rezepten für gelingende Quantensprünge sind die eine Sache. Mich interessiert aber immer auch, welche übergeordneten Denkmodelle geeignet sein können um komplexe Probleme begreiflich und handsam zu machen.

Im nächsten Beitrag schaue ich mir das Greiner’sche Phasen Modell der Unternehmensentwicklung an, das Anhaltspunkte für die Qualität der zu bewältigenden Quantensprünge gibt.

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UlrikeRheinberger_peak8Coaching_BlogHier schreibt Ulrike Rheinberger, Organisationsberaterin und Coach aus Berlin zu Themen rund um Coaching, Personal- und Organisationsentwicklung.

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