Coaching Berlin – peak8 – Coaching für Beruf und Management

Was steckt hinter dem Begriff systemisch?

20. Februar 2011

Gute Frage! Aber eine knappe Antwort ist nicht leicht. Systemtheorien haben sich als erstes in der Technik als Kybernetik und in der Biologie entwickelt. Sie kennen sicher das Beispiel des Heizungssystems: Temperatur- Fühler- Wärmezufuhr-Innentemperatur stehen in einem Regelkreis in Beziehung. Systemische Prinzipien finden wir z.B. in unserem Alltagsverständnis von Ökosystemen und ökologischem Gleichgewicht wieder.

In der Synergetik und der Chaostheorie wurden diese Auffassungen weiterentwickelt: Systeme haben nicht ein ewig gültiges Gleichgewicht, sondern entwickeln ihre Ordnungen weiter. Nicht nur in der Biologie, auch in der Chemie und der Physik lässt sich eine Tendenz von der Unordnung zur Ordnung erkennen. Zusammenhänge und Dynamik sind allerdings komplex. Gegen manche Einflüsse sind Systeme äußerst stabil, andere schwache Einflüsse (so schwach wie der Flügelschlag eines Schmetterlings) können drastische Wirkungen zeigen.

Weiterhin hängt das, was wir beobachten davon ab, wie wir es beobachten oder mit welchen theoretischen Vorstellungen wir es beobachten oder messen. Fasse ich Licht als Welle auf, messe ich Wellenlängen, fasse ich Licht als Teilchen auf, stelle ich Positionen fest.

Diese naturwissenschaftlich geprägten Auffassungen und Ideen werden seit den sechziger und siebziger Jahren auch auf soziale Systeme übertragen, insbesondere aufbauend auf der Systemtheorie von Niklas Luhmann. Daraus lassen sich für systemisches Coaching und systemische Organisationsentwicklung einige produktive und praktische Erkenntnisse ableiten:

  • Wirklichkeit ist subjektiv: Es gibt keine einzig richtige objektive Wirklichkeit. Es ist nicht einmal möglich zu wissen, ob zwei Menschen beim Betrachten eines Weihnachtsbaums das gleiche Grün sehen. Und: nur einen Teil unserer Wahrnehmungen verarbeiten wir bewusst und rational. Wir konstruieren unsere Wirklichkeit auf Grund von „Wirklichkeitsfiltern“, als Ergebnis prägender Erfahrungen, wobei ein Großteil dieser Konstruktionen im Background der bewussten Wahrnehmung abläuft. Daher kann der Eine ein Glas halb leer finden, und die Andere dasselbe Glas halb voll. Es gibt also – auch in der Beratung – keine einzig richtige Wahrheit. Um sich zu verständigen und zu verstehen, kann daher nur gemeinsam eine gemeinsame Wirklichkeit konstruiert werden.
  • Das Wirkgefüge ist komplex: Es gibt keine einfachen linearen Abhängigkeiten. Ursachen und Wirkungen bedingen einander in komplex vernetzter Weise, sie sind räumlich und zeitlich, sachlich und operativ variabel und verwickelt verbunden. Systeme reagieren dabei auf die Veränderung vieler Systemparameter bemerkenswert gering, sie können jedoch auch Stellen oder Druckpunkte haben, auf die sie sehr sensibel rea-­gieren.
  • Die Struktur ist etwas anderes als die Summe der Einzelnen: Soziale Systeme funktionieren gemäß einer inneren Struktur, die nicht unbedingt dem äußerlich faßbaren, offiziellen Regelwerk und dem Wollen und Können der einzelnen Personen entspricht. In der Beratung von Organisationen geht es daher auch darum, die Landkarten der inneren Struktur zu sehen, sozusagen auch durch die Personen hindurch auf die hinter den Personen liegende Kommunikationsstruktur zu blicken.

Über die Autorin

UlrikeRheinberger_peak8Coaching_BlogHier schreibt Ulrike Rheinberger, Organisationsberaterin und Coach aus Berlin zu Themen rund um Coaching, Personal- und Organisationsentwicklung.

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